Aktuelles 23.08.2011 (Archiv)
Libyen und die Medien
Die Medien haben in den vergangenen Tagen das Ende des Gaddafi-Regimes ausgerufen. Auch die Gefangennahme von Saif-Al-Islam Gaddafi machte Schlagzeilen.Dann trat der angeblich verhaftete Sohn des Machthabers in der Öffentlichkeit auf, um zu verkünden, dass das Regime noch immer fest im Sattel sitzt. Die Journalisten scheinen überfordert zu sein. 'Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken', sagt Thomas Bauer vom Publizistik-Institut der Universität Wien im Gespräch mit pressetext. Die Medien haben sich zu sehr an den Meldungen der Rebellen orientiert. 'Kriegsparteien haben immer Propagandamaschinerien. Hier müsste man besonders vorsichtig sein. Die Medien haben aber scheinbar ungeprüft Meldungen übernommen', so Bauer. Ein Grund für die Überforderung der Medien ist die zunehmende Vernachlässigung der Auslandsberichterstattung.
Aus Kostengründen gibt es immer weniger Korrespondenten. Die Medien vertrauen zunehmend darauf, dass in einer vernetzten Welt schon irgendjemand vor Ort sein wird, um zu berichten, erklärt Bauer. 'Medienhäuser sind auf Meldungen von außen angewiesen. Das erzeugt Druck. Für das Übernehmen von Meldungen ohne Quellen gibt es aber keine Entschuldigung', so Bauer.
Nachdem die Luftanschläge in Libyen der NATO übergeben wurden, war das Thema für die meisten Medien nicht mehr relevant. Auch diese Vernachlässigung des Themas Libyen im Allgemeinen lässt sich teilweise durch den wirtschaftlichen Druck erklären. 'Es gibt eine Tendenz zur Konzentration auf den eigenen Markt bei den Medien', sagt Bauer. Dass europäische Medien de facto einen Krieg, den Teile der EU in Libyen führen, so vernachlässigt haben, ist aber trotzdem schwer nachzuvollziehen. 'Die Redaktionen scheinen dem Thema keinen großen Nachrichtenwert zuzuschreiben', mutmaßt Bauer.
Als erste Meldungen über einen Rebellenvorstoß auf Tripolis auftauchten, begannen westliche Medien sofort Berichte unter dem Motto 'Das Ende des Grauens' zu veröffentlichen. Dieses Muster war auch bei den vorangegangenen Revolutionen in anderen nordafrikanischen Ländern zu erkennen, wo die Medien teilweise schon Demokratien ausgerufen haben, bevor die jeweiligen Regimes überhaupt gestürzt wurden.
'Bei den Jubelmeldungen aus Libyen hat man deutlich die Erwartung einer Erfolgsgeschichte gespürt', sagt Bauer gegenüber pressetext. Es ist nur natürlich, dass man lieber über 'Happy Ends' schreibt. Wenn Medien aber die journalistische Sorgfaltspflicht für eine Erfolgsmeldung vernachlässigen, stellen sie ihre eigene Legitimation in Frage.
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