Geld & Finanzen 12.11.2012 (Archiv)
Liebscher: EU Schuldner brauchen Zeit
Der ehemalige Präsident der Österreichischen Nationalbank, Klaus Liebscher, hat sich in Wien zu seinen Ansichten über die Zukunft des Euroraumes geäußert.Die Staatsschuldenkrise der peripheren Euro-Staaten sei auch fünf Jahre nach ihrem Ausbruch noch keineswegs unter Kontrolle, die Maßnahmen der EU seien aber richtig gewesen und die Strukturreformen begännen bereits Wirkung zu zeigen, sagt der Experte. 'Das Problem ist die langsame Umsetzung. Nur ein klarer und rascher Zeitplan kann das Vertrauen in die Märkte wiederherstellen.'
'Der Euro an sich ist eine Erfolgsgeschichte', so Liebscher. 'Wir haben keine Währungs- sondern eine Schuldenkrise. Der Euro befindet sich im Vergleich zum Dollar etwa auf Vorkrisen-Niveau.' Die geringe Inflation in der zurückliegenden Dekade, ein Wachstumsschub für die Wirtschaft und die Steigerung der Exportquote seien nur einige der Vorteile, in deren Genuss Österreich durch den Euro-Beitritt gekommen sei, so der Ex-Banker. 'Deshalb erachte ich die politischen Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden - inklusive ESM - als wichtig. Allerdings macht der eingeschlagene Weg nur Sinn, wenn auch die wirtschaftspolitische Kooperation in Europa weiter vorangetrieben wird', erklärt Liebscher.
Die fehlende Integration auf wirtschaftspolitischer Ebene sei aber kein Geburtsfehler des Euro. 'Wir brauchen zwar eine Verschärfung der Regulierung der Finanzmärkte, müssen aber darauf achten, nicht über das Ziel hinauszuschießen. Eine Überregulierung schadet Unternehmen, zu denen ich auch die Banken zähle. Sie müssen Spielraum für Risiko behalten', erklärt Liebscher. Zuerst müssen aber die Krisenherde Griechenland, Spanien und Co in den Griff bekommen werden. 'Hilfsmaßnahmen sind, an Korrekturmaßnahmen geknüpft, das einzig probate Mittel, um fiskalpolitische Fehler auszubessern. Die Alternativen sind schlecht und hätten verheerende Auswirkungen', so Liebscher.
Sowohl den Rauswurf einzelner Staaten aus der Währungsunion als auch den Zerfall in einen Nord- und Süd-Euro schließt der Fachmann aus. Die Probleme blieben dieselben, aber eine Einflussnahme würde verunmöglicht. Zudem brächen beide Optionen die europäischen Verträge.
Deshalb sei es auch wichtig, den verschuldeten Ländern mehr Zeit zu geben, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. 'Eine Rückzahlung der Milliardenhilfen innerhalb von fünf bis sieben Jahren ist unrealistisch. Eine Generation ist ein glaubwürdigerer Zeitraum. Auch Österreichs Völkerbundanleihe hatte damals eine Laufzeit von 60 bis 70 Jahren. Die Hilfen sollen jetzt eingesetzt werden, um die Verwaltung in den betroffenen Ländern zu reformieren. Den Strick enger zu ziehen, bringt nichts, die daraus resultierenden Streiks kosten auch hunderte Millionen', sagt der Experte.
Die geplante Finanzmarktunion hält Liebscher für eine gute Idee. 'Ohne Fiskalunion ist der Plan aber nicht durchsetzbar. Land A leiht Land B nur Geld, wenn auch budgetäre Duschgriffsrechte vorhanden sind. Wir müssen alles tun, um die europäische Integration fortzuführen', so Liebscher. Fernziel für die EU, die als Friedens- und Wohlstandsprojekt überaus erfolgreich sei, sind für den ehemaligen Nationalbank-Präsidenten die Vereinigten Staaten von Europa. 'Nicht als Bundesstaat, aber als Staatenbund. Die EU war in ihrer Geschichte immer wieder mit Krisen konfrontiert und hat sie stets gemeistert. Das wird auch diesmal so sein', präzisiert Liebscher.
Die rechtlichen und emotionalen Schwierigkeiten einer verstärkten Integration seien politisch zwar schwer zu verkaufen, die Politik müsse sich der Aufgabe aber stellen, da sie das Feld sonst den anti-europäischen Populisten überließe. 'Der Anteil der EU an der Weltbevölkerung und an der globalen Wertschöpfung ist rückläufig. Selbst große EU-Staaten haben nicht genug Macht für Alleingänge. Die EU ist der einzige Weg. Allerdings müssen die Reichen den Armen helfen, damit das Projekt überlebt', erklärt Liebscher.
Die No-Bailout-Klausel sei bei der Schaffung des Euro-Raumes trotzdem die richtige Idee gewesen. 'Aber auch konservativ denkende Menschen müssen erkennen, dass manche Maßnahmen, wie Staatsanleihenkäufe kurzfristig notwendig geworden sind, damit nicht alles den Bach hinunter geht. Hier ist Pragmatismus gefordert, bis die Krise ausgestanden ist. Dann müssen die Politiker aber wieder zurück zur Grundidee', sagt Liebscher.
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