Aktuell 12.10.2009 (Archiv)
Psyche und Krise
Die Wirtschaftskrise hat neben der finanziellen auch eine enorme psychische Belastung vieler Menschen mit sich gebracht. Sechs von zehn Menschen sind seelisch von Folgen der Krise betroffen.Das zeigt eine repräsentative Befragung unter 500
Menschen, die in Wien heute, Montag, anlässlich des am 16. Oktober
stattfindenden Veranstaltung 'Tag der Psychologie' präsentiert wurde.
Für Menschen, die durch die Krise zu Arbeitslosen oder zu Kurzarbeitern
wurden, könne die Arbeitspsychologie Möglichkeiten zur Verbesserung der
Lebensqualität und auch der konkreten Arbeitssituation aufzeigen, so der
Tenor der Experten. Das gelte jedoch ebenso bei den Gefühlen der Angst
oder Ohnmacht im Job, die im Lauf des vergangenen Jahres deutlich
zugenommen haben.
'Sechs von zehn Menschen belastet die Wirtschaftskrise', berichtet die
Meinungsforscherin Sophie Karmasin. Jeden Sechsten ordneten die
Studienautoren der Gruppe der 'Ängstlichen' zu, die außer von
Zukunftsangst häufig auch von Schlafstörungen, Gereiztheit,
Niedergeschlagenheit und Ruhelosigkeit geplagt sind. 'Diese Menschen
berichten besonders häufig von steigendem Konkurrenzdenken in der
Kollegenschaft aufgrund von hohem Arbeitsdruck', so Karmasin. Eine
ähnlich große Gruppe wurde als 'Machtlose' bezeichnet. Die so
Bezeichneten sehen sich von der Krise in eine passive Rolle gedrängt und
verspüren statt Wut oder Aggression nur mehr die eigene Ohnmacht. Jeder
Vierte fühlt sich von der Krise leicht betroffen, die restlichen 41
Prozent gar nicht.
Als 'deutliche Warnhinweise' wertet Ulla Konrad, Präsidentin des
österreichischen Psychologenverbands, die
Ergebnisse. Besonders wenn Gefühle wie Ohnmacht und Angst aufkommen
leide der Selbstwert und Menschen würden sich weniger trauen, bei
gesundheitlichen Problemen in Krankenstand zu gehen. Das begünstige die
Entstehung eines Burnout-Syndroms, das häufig sogar das Ende eines
Arbeitsverhältnisses nach sich ziehe. 'Um dem Burnout wie auch dem immer
stärker werdenden Mobbing vorzubeugen, können Firmen gerade in
Krisenzeiten von der Unterstützung durch die Arbeitspsychologie
profitieren. Bisher fehlt jedoch eine gesetzliche Garantie, dass
Arbeitnehmer im Bedarfsfall Zugang dazu bekommen', so Konrad im
pressetext-Interview.
Eine weitere Erhebung widmete sich speziell den Menschen, die infolge
der Krise ihre Arbeit verloren oder zu Kurzarbeit verpflichtet wurden.
Deutlich öfter als der Bevölkerungsschnitt berichtet diese Gruppe von
höherem Stress, Frustration und Unzufriedenheit, viele verstärken
ungünstiges Verhalten wie Rauchen und Alkoholkonsum und sind auch
häufiger in Konflikt mit dem Partner. Typische Freizeitaktivitäten
nehmen zwar bei einigen dank der vermehrten freien Zeit zu, doch
schränken viele Hobbys, Sport und Urlaub aufgrund finanzieller
Überlegungen ein und verringern auch die sozialen Kontakte. 'Das führt
in Summe dazu, dass Arbeitslose und Kurzarbeiter eine signifikant
schlechtere subjektiv empfundene Lebensqualität besitzen als der
Bevölkerungsschnitt', fasst Karmasin die Ergebnisse zusammen.
Um mit der Situation zurecht zu kommen, flüchten Betroffenen oftmals in
die Einnahme von Medikamenten, suchen Unterstützung im sozialen Umfeld
oder besuchen vorgeschriebene Seminare zur Weiterbildung. 'Wenngleich 37
Prozent eine psychologische Beratung als hilfreich ansehen, setzt das
nicht einmal jeder Zehnte in die Wirklichkeit um', so Konrad.
Psychologen könnten jedoch sehr gezielt dabei helfen, den Schock einer
Entlassung abzufangen, Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten
aufzuzeigen und gemeinsam mit dem Betroffenen Voraussetzungen für den
erfolgreichen Verlauf eines Bewerbungsgespräches zu erarbeiten.
'Krisenbewältigung spart viel mehr Geld als sie kostet, weil sie die
Rückkehr in den Alltag beschleunigt', so die Psychologin.
Besondere Vorsicht fordert Konrad für die Kommunikation der Nachricht,
dass die Krise bereits überwunden sei. 'Wenn die Botschaft der Erholung
der Banken auch viele aufatmen lässt, darf die weiter steigende
Arbeitslosigkeit nicht übersehen werden. Ob die Krise vorbei ist, zeigt
sich letztlich erst auf individueller Ebene.' Politiker sollten aus der
Krise lernen, dass man Arbeitssuchende und Menschen in Ausbildung nicht
alleine lassen darf. 'Es gibt noch immer einen großen Mangel an
Berufsorientierung. Was bisher nur für einzelne Randgruppen wie etwa
Sonderschüler der Fall war, müsste flächendeckend durchgesetzt werden.'
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